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Gesellschaft für Naturschutz und Landschaftsökologie e.V.

REFUG

 

Glaziale Reliktfauna

 

Teilprojekt „Wiederansiedlung der Ostgroppe in den Feldberger Seen“

Teilprojekt „Schutz der Luzinmaräne“

Ostgroppe

 

Was ist eine Ostgroppe
Die Ostgroppe (Cottus poecilopus) gehört zu der artenreichen Knochenfischfamilie der Cottidae (Groppen), aus der nur relativ wenige Vertreter in das Süßwasser vorgedrungen sind. Neben der Ostgroppe ist hier vor allem die in heimischen Bächen weit verbreitete Westgroppe (Cottus gobio, auch Mühlkoppe) zu nennen. Den meisten Angehörigen der Cottidae ist ein drachenhaftes Aussehen mit einem großen Kopf und einem sich nach hinten stark verjüngenden Körper gemeinsam. Besonders auffällig sind das im Verhältnis zum Körper sehr große Maul und die großen Brustflossen. Die maximal 12 cm lange Ostgroppe ist hinsichtlich dieser Merkmale ein recht typischer Vertreter ihrer Familie.

Ökologie und Fortpflanzung
Ostgroppen sind Bewohner des Gewässergrundes und halten sich am liebsten versteckt unter Steinen auf. Deshalb benötigen sie auch keine Schwimmblase. Auf ihrem Speisezettel stehen Insektenlarven, Kleinkrebschen und andere Wirbellose. Für den Lebensraum entscheidend ist die Wassertemperatur, denn Ostgroppen lieben die Kälte und vertragen keine Temperaturen über 15° C. Man findet sie deshalb nur in kühlen Bächen und in Tiefen Seen. Das Laichverhalten der Ostgroppen ist sehr ausgeprägt. Die Männchen suchen sich im Frühjahr eine geeignete Höhle und versuchen in diese ein passendes Weibchen zu locken. Ist dies gelungen kommt es zur Paarung, was eine längere Zeit in Anspruch nehmen kann. Dabei wird ein Paket mit 100 – 500 Eiern an die Wandung der Höhle geklebt. Anschließend verlässt das Weibchen die Höhle, während das Männchen das Gelege bis zum Schlupf der Jungtiere (nach ca. 3 – 4 Wochen) bewacht. Besonders potente Männchen laichen nacheinander mit mehreren Weibchen.

Verbreitung und Besiedlungsgeschichte
Das Verbreitungsgebiet der Ostgroppe, die mitunter auch als Sibirische Groppe bezeichnet wird, ist sehr groß und reicht weit bis in den asiatischen Teil Russlands. In Europa gibt es zwei Verbreitungsschwerpunkte, die skandinavischen Ostseezuflüsse und die Karpaten. Dort ist die Art in vielen Bächen anzutreffen. Auch wenn über den Zustand der Populationen in diesen Gebieten wenig bekannt ist, lässt sich sagen, dass die Ostgroppe global nicht zu den stark gefährdeten Arten gehört. Eine lokale Besonderheit stellt jedoch das südbaltische Tiefland zwischen Ostsee und Karpaten dar. Hier weisen die Bäche und Flüsse zu hohe Sommertemperaturen für die wärmeempfindliche Art auf. Im Zuge der letzten Eiszeit gelangten jedoch Ostgroppen am Rande der Gletscher in das Gebiet, wo sie sich nach Rückzug der Eismassen in einigen besonders tiefen Seen halten konnten. Die dort lebenden Groppen sind seit dem Ende der Eiszeit vor 10 000 Jahren vom Hauptverbreitungsgebiet abgetrennt und genetisch völlig isoliert. Sie werden deshalb auch als Glazialrelikte bezeichnet und stellen einen Vorposten an der Westgrenze des Verbreitungsgebietes dar.

Ostgroppen in Deutschland
In wie vielen Seen des südbaltischen Tieflandes die Ostgroppe einst vorkam, lässt sich heute nicht mehr bestimmen. Ihre Existenz wurde erst zum Ende des 19 Jahrhunderts festgestellt. Sichere Nachweise erfolgten um die Jahrhundetwende im Großen Plöner See in Schleswig-Holstein, dem in Pommern gelegenen Einzig-See sowie in den mecklenburgischen Luzinseen bei Feldberg. Heute gibt es die ursprünglichen Populationen in keinem dieser Gewässer mehr. Die Ostgroppe gilt deutschlandweit als ausgestorben. Die vermutlich einzige Population, der das Überleben im südbaltischen Tieflandgebiet gelang, befindet sich im nordostpolnischen Hanczasee, nahe der Grenze zu Litauen. Der Bestand in diesem 108 m tiefen Binnensee wurde erst in den 1970er Jahren durch Wissenschaftler der Universität Breslau entdeckt und weist noch heute einen vitalen Bestand auf.

Gefährdungsursachen
Bei den von der Ostgroppe im südbaltischen Tiefland besiedelten Gewässern handelt es sich um ursprünglich nährstoffarme, geschichtete Seen. Dieser Seentyp zeichnet sich durch eine stabile Temperaturschichtung im Sommer und ein ganzjährige Sauerstoffsättigung im Tiefenwasser aus. Auf Grund der Anomalie des Wassers herrscht in den tieferen Schichten selbst im Sommer ein äußerst konstantes Temperaturregime um 4 – 8°C. Die wärmeepfindlichen Ostgroppen halten sich über die längste Zeit des Jahres in dieser als Hypolimnion bezeichneten Schicht auf. Nur im Frühjahr, steigen die Fische bis zum Seeufer auf, wo sie an steinigen Hängen ihr Laichgeschäft verrichten. Sätestens Ende Juni ziehen sie sich wieder in die Tiefe zurück. Durch hohe Nährstoffeinträge aus Landwirtschaft und kommunalen Abwässern kommt es im Tiefenwasser zu einer Sauerstoffzehrung, die dazu führen kann, dass das Hypolimnion im Sommer völlig sauerstofffrei wird. Die Ostgroppe befindet sich dann in der ausweglosen Situation, dass es oben zu warm wird und unten kein Sauerstoff ist. Es muss davon ausgegangen werden, dass dieser Effekt der so genannten Eutrophierung unserer Gewässer den Ostgroppen den Garaus gemacht hat. Möglicher Weise spielte aber auch noch ein zweiter Faktor eine Rolle. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde in vielen Seen ein kontinuierlicher Besatz mit Aalen durchgeführt, der zu unnatürlich hohen Dichten dieses Fressfeindes der Groppen führte. In den Feldberger Seen kam der Aal vor den Eingriffen des Menschen überhaupt nicht vor.

Das Wiederansiedlungsprojekt
Im Schmalen Luzin bei Feldberg gelang es seit dem Ende der 1980er Jahre durch verschiedene Maßnahmen wie der Reduzierung von Nährstoffeinträgen und einer technischen Nährstoffausfällung die Wasserqualität erheblich zu verbessern. Im Zuge eines zweijährigen Forschungsprojektes (2001-2003) zum Schutz der glazialen Reliktfauna (REFUG) kamen Wissenschaftler der Gesellschaft für Naturschutz und Landschaftsökologie (GNL e.V.) und der Universität Breslau durch umfangreiche Vergleichsuntersuchungen im Hanczasee zu dem Schluss, dass die Lebensansprüche der Ostgroppe im Schmalen Luzin als wieder hergestellt betrachtet werden können. Ein Indiz dafür ist auch die natürliche Wiederbesiedlung des Sees mit einer wichtigen Sommernahrungskomponente der Groppen aus einem benachbarten Gewässer. Es handelt sich um die Schwebgarnele Mysis relicta, die ebenfalls den Glazialrelikten zugerechnet wird. Im Gegensatz zu diesem Tier besteht für die Ostgroppe jedoch keine Möglichkeit den Schmalen Luzin vor einer kommenden Eiszeit auf natürlichem Wege wieder zu besiedeln. Daraus entstand die Idee, die Ostgroppe mit Hilfe von Tieren aus der letzten verbliebenen Tieflandseenpopulation auf künstlichem Wege wieder heimisch zu machen. Neben der Wiederherstellung der ursprünglichen Fischfauna der Feldberger Seen geht es darum, eine gefährdete, seit 10 000 Jahren von anderen Populationen abgetrennte genetische Ressource zu bewahren und als Beitrag zum Erhalt der Biodiversität langfristig abzusichern. Diesem Vorhaben wurde 2005 durch eine aus Wissenschaftlern und Vertretern der Naturschutz- und Fischereibehörden des Landes bestehenden Expertenkommission Naturschutz und Fischerei zugestimmt.

Bisheriger Projektstand
Bereits seit 2003 bemühten sich Mitarbeiter des Bundesamtes für Naturschutz und der GNL e.V um eine Nachzucht von Ostgroppen aus dem Hanczasee. Die technisch aufwändige Haltung unter Laborbedingungen gelang zwar gut, doch erwies es sich zunächst als schwierig, einen verlässlichen Zuchtstamm aufzubauen. Ein weiteres Problem war, dass eine Finanzierung des ursprünglich geplanten, artübergreifenden Schutzprojektes für die Glazialreliktfauna der Feldberger Seen, wie es im Rahmen des REFUG vorgeschlagen wurde, nicht zustande kam. Trotz dieser Rückschläge wurde das Vorhaben bei der GNL e.V. im Rahmen verfügbarer Eigenmittel weiter verfolgt. Im Jahr 2005 wurde erstmalig eine kleinere Anzahl von gezüchteten Ostgroppen im Schmalen Luzin ausgesetzt. Nach einem Zusammenbruch des Zuchtstammes wurden im Jahr 2010 erneut ca. 50 Ostgroppen aus dem Hanczasee mit Genehmigung des polnischen Umweltministeriums eingeführt. In Zusammenarbeit mit dem Aquarium des Müritzeums in Waren gelang die künstliche Reproduktion dieser Tiere nunmehr im zweiten Jahr. Von den 2010 erbrüteten Tieren konnte im Mai 2011 mit ca. 1200 Tieren erstmals eine größere Anzahl von Ostgroppen freigesetzt werden. Im Vorfeld der Auswilderung durchgeführte Fischbestandskontrollen zeigten allerdings, dass der aus fischereilichem Besatz resultierende Aalbestand nachwievor eine kritische Größe aufweist.

Ausblick
In den kommenden Jahren soll die Nachzucht der Ostgroppen in den Aquarienanlagen der GNL und des Müritzeum ausgebaut werden. Es wird angestrebt, dass in der folgenden Dekade ein jährlicher Besatz von 4000 – 5000 Tieren erfolgen kann. Zur Absicherung einer ausreichend breiten genetischen Vielfalt ist es notwendig weitere Wildfänge aus dem Hanczasee in den Zuchtstamm einzubringen. Als Ausgleich dafür ist vorgesehen, zukünftig einen angemessenen Teil der Nachzucht auch in das polnische Herkunftsgewässer einzusetzen. Parallel zu den Bemühungen um eine Bereitstellung des Besatzmaterials ist es notwendig, den Aalbestand des Gewässers deutlich zu reduzieren. Dazu werden einvernehmliche Lösungen mit dem fischereilichen Pächter angestrebt. Erforderlich sind eine verstärkte Abfischung der vorhandenen Tiere und der Verzicht auf Neubesatz.